Organisieren Sie Ihr Archiv!

Digital Continuity bei Forschenden und ihren persönlichen Archiven

  • Forschungsdienstleistung
16. April 2019

Die Digitalisierung von Gesellschaft und Wissenschaft bringt viele Vorteile, aber auch Gefahren mit sich. So ist die Erhaltung analoger Dokumente verhältnismässig einfach. Das ist in der digitalen Welt anders – Daten müssen aktiv gepflegt werden, damit sie Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte überleben. Papier ist geduldig, digitale Daten sind es nicht. Persönliche Archive von Forscherinnen und Forschern enthalten wichtige Dokumente und Daten, die für die Nachwelt gesichert werden sollen. Nur wenn es uns gelingt, rechtzeitig für ihre Digital Continuity zu sorgen, bleibt die Essenz des wissenschaftlichen Arbeitens an der ETH Zürich erhalten.

Das Hochschularchiv als Wissensquelle für Forschende

Aus aller Welt wenden sich jährlich über 1’300 Forscherinnen und Forscher mit Anfragen ans Hochschularchiv der ETH Zürich. Über 300 von ihnen kommen im Rahmen ihrer Forschung persönlich zu uns nach Zürich in den Lesesaal im ETH-Hauptgebäude. Im Hochschularchiv der ETH Zürich finden diese Nutzerinnen und Nutzer Antworten auf ihre Forschungsfragen, denn nur hier befinden sich die dafür relevanten Dokumente und Daten aus der Vergangenheit. Auf den Archivdokumenten des Hochschularchivs basieren neben wissenschaftlichen Werken auch Dokumentarfilme, Zeitungsartikel oder historische Romane 1 .

Als Unikate sind die Archivdokumente von unschätzbarem Wert. Die Originaldokumente und Daten im Hochschularchiv sind nicht nur unerlässliche Quellen für die Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik, sondern auch für das Entstehen von neuem Wissen, von Entdeckungen, Innovationen und neuen Forschungszweigen – und natürlich auch für die Geschichte der ETH Zürich.

Auswahl an wissenschaftlichen Publikationen, die auf Basis von Dokumenten aus dem Hochschularchiv entstanden sind.

Auf der Grundlage dieser einzigartigen Quellen entstehen zahlreiche aktuelle naturwissenschaftliche sowie wissenschaftshistorische Veröffentlichungen, darunter auch Biografien über Forscherinnen und Forscher, die das 19. und 20. Jahrhundert geprägt haben. Hierzu zählen z. B. die ETH-Nobelpreisträger Albert Einstein oder Vladimir Prelog.

Persönliche Archive von Forschenden einst und heute

Als besonders reichhaltige Quellen erweisen sich die persönlichen Archive einzelner Forschender. Denn nur persönliche Archive gewähren Einblick in die individuelle Denkweise und die Lebenswelt eines Wissenschaftlers oder einer Wissenschaftlerin. Von grösster Bedeutung sind hierbei Briefe und heutzutage E-Mails. Sie stellen oft die einzige Möglichkeit dar, um im Detail zu erfahren, wie neue Ideen entwickelt werden, wer mit wem im persönlichen Austausch steht und welche Netzwerke zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bestehen.

Das Hochschularchiv der ETH Zürich sammelt gezielt persönliche Archive von herausragenden ETH-Forschenden. Wir besuchen Professorinnen und Professoren der ETH Zürich, die sich in ihrer Forscherkarriere kurz vor der Emeritierung befinden, und werfen gemeinsam mit ihnen einen Blick in ihre Büros und Laboratorien. Im Laufe einer Hochschulkarriere sammelt sich bei den meisten von ihnen viel Material an und so legen wird gemeinsam mit ihnen fest, welche Dokumente und Daten für die Nachwelt aufbewahrt werden sollen.

Die Digitalisierung ist heute selbstverständlicher Teil wissenschaftlicher Arbeitsprozesse: Während früher Dokumente auf Papier gedruckt wurden, liegen diese heute in digitaler Form vor. Aus diesem Grund besprechen wir mit den Professorinnen und Professoren auch den weiteren Verbleib ihrer digitalen Dokumente, E-Mails und Forschungsdaten, die sie auf ihren Geräten und Datenträgern gespeichert haben.

Die Gefahr: Das Digital Dark Age

In der analogen Welt war es bedeutend einfacher, Dokumente langfristig zu konservieren und für die Öffentlichkeit zugänglich zu halten. In der heutigen digitalen Welt müssen die Informationen aktiv gepflegt werden, um ihr Überleben zu gewährleisten.

Die Gefahr eines Digital Dark Age ist real. Aus unserer langjährigen Erfahrung mit verschiedenen Forschungsbereichen an der ETH Zürich kennen wir beispielsweise folgende Risiken:

Wichtige Forschungsdaten der ETH Zürich sind folglich potenziell gefährdet und könnten unwiederbringlich verloren gehen. Datenverluste sind für die betroffenen Personen einschneidend. Nicht minder dramatisch können aber auch die Konsequenzen für die Wissenschaftsgeschichte sein, wenn nämlich bedeutsame Dokumente und Daten für die Nachwelt nicht mehr zur Verfügung stehen.

Die ETH-Bibliothek und das Hochschularchiv der ETH Zürich haben es sich zur Aufgabe gemacht, Dienstleistungen aufzubauen, die das Risiko eines Digital Dark Age an der ETH Zürich verkleinern. Wir möchten sicherstellen, dass auch in Zukunft Forschung auf der Basis von persönlichen Archiven möglich sein wird.

Das Ziel: Die Digital Continuity

Das Ziel heisst Digital Continuity, nämlich wichtige Zeugnisse des wissenschaftlichen Wirkens an der ETH Zürich auch im digitalen Zeitalter langfristig für die Nachwelt zu erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen – und das potenziell für die Ewigkeit.

Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Informatikdiensten, Forschungseinheiten, Bibliotheken und Archiven zentral. Einerseits tragen die einzelnen Forschenden eine grosse Verantwortung in Bezug auf ihre Dokumente und Daten, sind sie doch dazu verpflichtet, die Prinzipien der guten wissenschaftlichen Praxis und der Good Governance einzuhalten. Dazu gehört auch der bewusste Umgang mit Forschungsdaten 2 sowie mit Dokumenten aus Lehre und Verwaltung 3 .

Andererseits ist es Aufgabe der ETH-Bibliothek und ihrer Fachstellen, alle ETH-Angehörigen in ihren Bemühungen um die Digital Continuity zu unterstützen. Dazu stellt die ETH-Bibliothek eine Reihe von Dienstleistungen bereit, die auf die Bedürfnisse der Forscherinnen und Forscher zugeschnitten sind und sie dabei unterstützen, ihre persönlichen Archive zu organisieren, zu pflegen und zu bewahren.

Wissenschaftsgeschichte der Zukunft

Auch im digitalen Zeitalter lohnt es sich, persönliche Archive bedeutender Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der ETH Zürich zu sammeln und für die Nachwelt zu sichern. Die Dokumente und Daten in persönlichen Archiven sind für die Naturwissenschaften und die Technik, aber auch für die Geschichte der ETH Zürich von bleibendem Wert.

Das Ziel der Digital Continuity bei persönlichen Archiven von Forschenden kann aber nur in enger Zusammenarbeit mit den Forschenden selbst erreicht werden. Nur dann wird es auch in Zukunft möglich sein, die heute digital erzeugten Informationen der Forschung und Öffentlichkeit auch künftig digital zugänglich zu machen.

Organisieren Sie Ihr persönliches Archiv

Im Laufe ihrer Karriere produzieren Forschende grosse Mengen an Dokumenten und Daten. Im Folgenden zeigen wir, wie die ETH-Bibliothek und das Hochschularchiv mit ihren Dienstleistungen die ETH-Angehörigen darin unterstützen, ihre persönlichen Archive zu organisieren, und zwar sowohl in analoger als auch in digitaler Form.

Lassen Sie sich beraten

Die Forschungsdatenmanagerinnen und -manager der ETH-Bibliothek bieten Kurse und Beratungen an, die den ETH-Forschenden das nötige Knowhow zum Management von digitalen Forschungsdaten vermitteln 4 .

Das Hochschularchiv der ETH Zürich bietet individuelle Beratungen für Professorinnen und Professoren an, die sich der Emeritierung nähern. Gemeinsam legen wir fest, was mit den zahlreichen analogen und digitalen Dokumenten und Daten geschehen soll, die über die Jahrzehnte in Lehre, Verwaltung und Forschung entstanden sind.

Das Team der Research Collection berät ETH-Angehörige bei allen Fragen rund um die Dokumentation, Publikation und Archivierung ihrer wissenschaftlichen Ergebnisse auf der Publikationsplattform Research Collection der ETH Zürich.

Sichern Sie Ihre Publikationen und Forschungsdaten
Sichern Sie Ihre Publikationen und ForschungsdatenWenn Forschende die ETH Zürich verlassen, besteht die Gefahr, dass sie keinen Zugriff auf ihre eigenen Publikationen mehr haben. Bibliotheken ist es jedoch erlaubt, Preprints und Postprints von Publikationen zu speichern. Laden Sie deshalb Ihre Publikationen in die Research Collection der ETH Zürich hoch, um sie dauerhaft zu sichern und zugänglich zu halten. Auch Forschungsdaten, die mit Publikationen verknüpft sind, können Sie hochladen und dort archivieren.Open Access – Wissenschaftliches Publizieren im Wandel
Sichern Sie Ihre Präsentationen und Vorlesungsskripts
Sichern Sie Ihre Präsentationen und VorlesungsskriptsFür die Wissenschaftsgeschichte ist es sehr interessant zu sehen, welche Inhalte Forscherinnen und Forscher vor einem bestimmten Publikum präsentiert haben, sei es an einer wissenschaftlichen Konferenz, einem Workshop, einer Vorlesung an der ETH Zürich oder einer Volkshochschule. Heute sind solche Skripts häufig als Folien in Präsentationsprogrammen anzutreffen oder sie werden den Studierenden als PDF-Dokument zur Verfügung gestellt. Als ETH-Dozierende können Sie Ihre Vorlesungsskripts und Folien in der Research Collection oder auch auf Ihrer ETH-Website selbst veröffentlichen.Research Collection
Sichern Sie Ihre E-Mails
Sichern Sie Ihre E-MailsBriefe sind besonders gehaltvolle Quellen für die Wissenschaftsgeschichte. Ihr Inhalt gibt Einblick in das Denken einzelner Forscherinnen und Forscher und zeigt auf, welche Netzwerke für ihre Forschung wichtig waren. Heutzutage stellen E-Mails das wichtigste Medium der persönlichen Kommunikation zwischen Wissenschaftlern dar. Wir empfehlen, E-Mails aktiv zu kuratieren. Das heisst, dass jeder Forschende beim Weggang von der ETH Zürich eine bewusste Auswahl treffen soll, welche E-Mails langfristig bedeutsam sind. Das Hochschularchiv unterstützt Sie gerne bei der Übergabe.
Sichern Sie Ihr CV sowie Ihre Publikationslisten und Auszeichnungen
Sichern Sie Ihr CV sowie Ihre Publikationslisten und AuszeichnungenBiographische Informationen eines Forschenden (wie z.B. CV, Empfehlungsschreiben, Publikationslisten, Auszeichnungen, Grants, Urkunden oder Zeugnisse) sind eine wichtige Quelle für die Wissenschaftsgeschichte, da sie es erlauben, seine Karriere nachzuzeichnen. Heutzutage sind das CV sowie die Publikationsliste von Forschenden meistens auf der Website der Professur (oder des Labors oder Instituts) veröffentlicht. Das Hochschularchiv archiviert in regelmässigen Abständen die Websites der ETH Zürich im Webarchiv. Wenn sich abzeichnet, dass eine Website abgeschaltet oder stark verändert wird, kontaktieren Sie am besten das Hochschularchiv, damit die Archivierung rechtzeitig vorgenommen werden kann.Webarchiv

Literatur

Digital Continuity: http://www.nationalarchives.gov.uk/information-management/manage-information/policy-process/digital-continuity/what-is-digital-continuity/

Tara Zachary Laver: In a Class by Themselves: Faculty Papers at Research University Archives and Manuscript Repositories: https://americanarchivist.org/doi/pdf/10.17723/aarc.66.1.b713206u71162k50 In: The American Archivist. 2003, Vol 66, p. 159-196

Society of American Archivists: Donating Your Personal or Family Records to a Repository: https://www2.archivists.org/publications/brochures/donating-familyrecs

Harvard University Archives: «Help Build Harvard’s History!» https://emeritus.library.harvard.edu/university-archives/donating-materials/homepage

American Institute of Physics: “Saving personal papers and archival records in physics and allied fields”: https://www.aip.org/history-programs/niels-bohr-library/scientific-source-materials

Fussnoten

  1. Der Kinofilm «Gateways to New York» des Schweizer Filmregisseurs Martin Witz über den schweizerisch-amerikanischen Brückenbauingenieur Othmar H. Ammann, der Roman «Wir sehen uns am Ende der Welt» der niederländischen Schriftstellerin Miek Zwamborn oder Kurzfilme von Studierenden zur globalen Vernetzung von Zürcher Wissenschaftlern und ihren wissenschaftlichen Sammlungen. ↩︎
  2. https://rechtssammlung.sp.ethz.ch/Dokumente/414.pdf Richtlinien der ETH Zürich für Integrität in der Forschung. ↩︎
  3. https://rechtssammlung.sp.ethz.ch/Dokumente/210.pdf Weisung über die Archivierung von Dokumenten der ETH Zürich. ↩︎
  4. Einen Einstieg mit nützlichen Informationen und Best Practices zum Management aller Arten von Forschungsdaten und Forschungsdokumenten finden Sie auf der Website zum Digitalen Datenerhalt an der ETH-Bibliothek. ↩︎